Wir brauchen den Austausch unterschiedlicher Meinungen - in unserer demokratischen Gesellschaft ebenso wie in der Kirche. Wir brauchen Diskussion und Ringen um den richtigen Weg. Das bedeutet auch, andere Meinungen auszuhalten. Alle Menschen bei uns dürfen frei ihre Meinung sagen. Das gehört zur Stärke einer freiheitlichen Demokratie! Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat in einem Interview, das heute in der NOZ erschienen ist, betont, „dass alle Menschen bei uns demonstrieren dürfen müssen. Egal, was für einen Unsinn sie dabei teils verbreiten und woran sie glauben oder auch nicht. Das hält unser Land, hält unsere Demokratie aus.“ Seit Monaten allerdings beobachten wir, wie sich die Debattenkultur zunehmend verschärft. Inzwischen geht es nicht mehr nur um kleine Streitigkeiten. 72 Prozent der Bürgermeister in Deutschland wurden schon einmal beleidigt, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. Woher kommt diese Heftigkeit und Schärfe, mit der Menschen, die anderer Meinung sind, verunglimpft und fertiggemacht werden? Boris Pistorius hat Recht: Das kann nicht toleriert werden. Alles, was strafrechtlich relevant ist, muss angezeigt und verfolgt werden.
Wenn immer mehr Menschen andere nur noch als Feinde betrachten, die es zu bekämpfen gilt, weil sie einen anderen Standpunkt haben, dann stimmt etwas nicht. Dann müssen wir auch als Christinnen und Christen klar Stellung beziehen! Nicht, weil wir alles besser wissen. Oder für alles eine Lösung haben. Unterschiedliche Meinungen sind erlaubt. Ich fand z.B. den Künstlerprotest #allesdichtmachen wahrlich kein gelungenes Projekt. Anderen mag es anders gehen. Aber wo Menschen das oder anderes zum Anlass nehmen, einander zu bekämpfen, da müssen wir aufstehen. Da haben wir etwas zu sagen bzw. etwas weiterzugeben, was uns selbst gesagt wurde. Und wir müssen uns immer wieder an die eigene Nase packen. In diesem Jahr denke ich oft an die Jahreslosung. Worte, die Jesus gesagt hat: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6, 36). Barmherzig sein heißt für mich: Ehrlich sein. Und gleichzeitig auf dem Weg miteinander freundlich bleiben. Erstmal zuhören. Nachfragen: „Was bewegt dich? Was macht dir Angst?“ Hinschauen. Im Nächsten auch den sehen, der ebenfalls sein Bestes versucht. Das ist nicht leicht. Das erfordert Geduld. Nachsicht. Entgegenkommen. Manchmal auch Tränen. Und klare Worte. Schutz der Schwachen. Eintreten für die Hilflosen.