Zum Nachlesen

Hier finden Sie u.a. die Andachten, die regelmäßig auch in „Andreas Aktuell“, dem Gemeindebrief der Andreasgemeinde, veröffentlicht werden.

Vor der Zoom-Sitzung am Abend bleibt noch ein wenig Zeit. Den Kopf voll von vielen Telefongesprächen und Mails mache ich mich auf den Weg zu einem kleinen Lauf über den Haster Berg. Ich laufe vorbei an zwei Ziegenböcken, die einander gegenüberstehen, die Köpfe gesenkt, Auge in Auge. Immer wieder rennen sie aufeinander zu. Viele Szenen aus den letzten Wochen fallen mir ein. Unversöhnlich scheinen Positionen in unserer Gesellschaft einander gegenüberzustehen. Das Urteil ist schnell gefällt. Mit dem Kopf durch die Wand, anstatt miteinander zu reden.

In Gedanken versunken laufe ich weiter und befinde mich plötzlich ungeplant mitten auf dem Kreuzweg von Haste nach Rulle. Eine Stele nach der anderen mit farbigen Keramikplatten taucht auf. Auf ihnen steht: „Wir tragen zu dir Herr Jesus Christus die Kreuze aller, die gelitten haben und immer noch leiden. Die Kreuze der Verratenen, der Verzweifelten und zu Boden Geschlagenen. Wir tragen aber auch zu dir unsere Sorge um die Not derer, die Unrecht taten und all derer, die harten Herzens sind.“ 

Innerlich aufgewühlt laufe ich weiter. Wie oft verhake ich mich in Auseinandersetzungen, den Blick verstellt durch Sorgen. Der Passionsweg erinnert mich daran, dass es einen Ort gibt, an den ich das Dunkle und die Schuld bringen kann. Jesus Christus ist gekommen, um Versöhnung zu ermöglichen. Auf ihn zu schauen und ihm zu folgen, weitet den Blick. Jeder Mensch ist wertvoll! Lasst uns gemeinsam nach einem guten Weg suchen. Dankbar komme ich zu Hause an, bereit für meine Sitzung.

Martin Steinke, Pastor der ev.-luth. Andreasgemeinde Wallenhorst

Das Motto über dem Jahr 2021

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! (Lukas 6,36)

„Welches Motto würdest du über das Jahr 2021 stellen?“ Was würden Sie auf diese Frage antworten? Ein Motto fällt mir so schnell nicht ein, aber spontan würde ich sagen: „Es kann nur besser werden!“ Ja, darauf hoffe ich, jetzt wo die Impfungen begonnen haben und bald hoffentlich immer mehr an Fahrt aufnehmen. Aber eine schnelle Besserung oder Normalisierung wird es wohl nicht geben. Viele Menschen sagen mir: „Dieser zweite Lockdown trifft mich härter als der erste. Im Frühjahr konnte ich die freie Zeit manchmal richtig genießen. Da war das Wetter gut, und alles sah noch wesentlich heller aus. Aber jetzt reicht es! Ich habe keine Lust mehr und auch keine Kraft.“

Es gibt ein Motto für 2021. Die Kirchen wählen für jedes Jahr eine Jahreslosung. In diesem Jahr ist es ein Wort von Jesus aus seiner Predigt auf dem Feld, aufgeschrieben vom Evangelisten Lukas: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ In den letzten Wochen habe ich oft gedacht: Eigentlich kann es kein besseres Motto über diesem neuen Jahr geben! Es ist fast so, als hätten diejenigen, die vor drei Jahren dieses Wort ausgewählt haben, geahnt, wie nötig wir in diesen Monaten Barmherzigkeit haben!

„Gott ist barmherzig!“, sagt Jesus. Wenn du erschöpft bist und traurig, dann ist ihm das nicht egal. Bei Gott ist Raum für deine Klage, für Ärger und Angst. Ich wünsche mir fürs neue Jahr, dass wir in unserer Kirche diesen Raum nutzen, ehrlich vor Gott und vor uns selbst zu sein. Weil Gott uns kennt und liebt, brauchen wir nichts schönzureden. Wir können ihm und einander das sagen, was uns bedrängt und mitnimmt und uns von Gott neue Kraft erbitten. 

„Seid auch ihr barmherzig!“, sagt Jesus. Zusammen geht das viel besser. Lasst uns in unserer Gemeinde schauen, wo Menschen uns brauchen, wo ihre Not groß ist. Sagen wir das einander und überlegen, was wir tun können. Barmherzig sein ist immer konkret. Das geht nur ganz praktisch. 

Kinder wissen das! Wir haben die Kinder unserer Andreas-Kindertagesstätte gefragt: „Was ist für euch barmherzig?“ Sie haben u.a. Folgendes gesagt: 

  • „Wenn ich keine Schleife binden kann und mir jemand hilft, ist das barmherzig.“
  •  „Wenn ich einen Berg runterrutsche und ich dann blute am Knie, dann gehen meine Eltern mit mir nach Hause und helfen mir. Das ist barmherzig.“
  • „Meine Freunde haben mir bei einem schwierigen Spiel geholfen, das ist barmherzig.“
  • „Wenn mir E. viele Bücher vorliest, finde ich das barmherzig.“

Jetzt sind Sie gefragt! Jetzt seid Ihr gefragt! Wir wollen dieses Motto: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ in diesem Jahr immer wieder aufgreifen. Wir wollen schauen, wo es bei uns konkret wird. Vielleicht haben Sie Ideen, kennen Menschen oder Aktionen, die wir vorstellen können. Dann melden Sie sich bitte bei uns. Und wenn Sie uns brauchen, sagen Sie bitte auch Bescheid!

Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen ein barmherziges Jahr 2021.

Ihr Pastor Martin Steinke 

Das neue Jahr hat begonnen wie das alte aufgehört hat, mit hartem Lockdown und sogar noch stärkeren Einschränkungen. Elf Monate bestimmt die Pandemie nun schon unser Leben in vielen Bereichen. Jetzt haben die Impfungen begonnen, und wir können hoffen, dass es besser wird. Aber es wird gewiss noch einige Zeit dauern, bis das Leben sich wieder normalisiert. Haben Sie noch Kraft? Wie ist Ihr Blick auf dieses neue Jahr? Eher zuversichtlich? Oder eher besorgt?

Bei vielen Menschen liegen die Nerven blank, und die Seelenhaut ist dünn geworden. Mir geht es ähnlich. Der Himmel ist oft grau, und die Augen sind müde. Da kommt mir das Wort, das für dieses Jahr in unseren Kirchen als Jahreslosung ausgewählt wurde, gerade recht: „Seid barmherzig!“ Ja!, denke ich, was braucht es mehr im Moment als Barmherzigkeit? Mit den anderen und ganz viel auch mit mir selbst. Obwohl ich eigentlich mehr Zeit haben müsste als sonst, nehmen mich die Gedanken gefangen. Wie geht es den jungen Menschen, die sich für dieses Jahr zur Konfirmation angemeldet haben? Richtiger Unterricht, wie wir ihn sonst kennen, mit Austausch, Spielen und intensiven Begegnungen, war kaum möglich. Und alles mit ganz viel Abstand. Wie geht es den vielen Menschen in den Altenheimen, die einsam sind? Viele sind gestorben, auch hier bei uns in Wallenhorst/Hollage. Viele Angehörige leiden darunter, dass sie ihre Lieben nicht angemessen oder überhaupt nicht begleiten konnten. 

Ob jung oder alt oder mitten dazwischen, Sie alle haben bestimmt Ihre Erfahrungen gemacht. „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich einander viel verzeihen müssen“, hat Bundesgesundheitsminister Spahn zu Beginn des Corona-Ausbruchs gesagt. Das stimmt! Das passt zu dem, was Jesus gesagt hat: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Mich entlastet das. Ja, wir haben uns viel eingesetzt in den letzten Monaten. Vieles haben wir geschafft. Und manches war trotzdem nicht gut. Darum tut es mir so gut, was Jesus sagt: „Du bist ein Kind Gottes. Gott schaut in Liebe auf dich. Überfordere dich nicht! Sei barmherzig mit dir selbst. Und mit den anderen.“

Ich bin froh, dass ich nicht allein bin. Lassen Sie uns miteinander schauen, wo Menschen uns brauchen in diesem Jahr. Lassen Sie uns nach neuen Wegen suchen, wo alte zugebaut sind und nicht den Kopf in den Sand stecken. Und hey: Es ist Januar! Jeden Tag wird es jetzt zwei Minuten länger hell als am Tag zuvor. Ohne dass wir irgendetwas dazu beitragen. 

Ich grüße Sie herzlich!

Ihr Pastor Martin Steinke

Weihnachten braucht Kälte

„Am meisten vermisse ich an Weihnachten die Kälte!“, sagte meine Tochter, als sie für ein Jahr in Brasilien lebte. Ich konnte das gut nachvollziehen. Weihnachten bei 35° im Schatten kann ich mir nur schwer vorstellen. Scheinbar geht es vielen Menschen so. „I’m dreaming of a white Christmas“ ist nicht umsonst der vielleicht größte Hit aller Zeiten. Ich kann mich an keinen Dezember erinnern, in dem dieses Lied nicht ununterbrochen aus dem Radio schallt. Braucht Weihnachten wirklich Kälte und Schnee? Als Jesus geboren wurde, lag in Bethlehem wahrscheinlich auch kein Schnee. Vielleicht war es zugig im Stall, weil sich die Besucher die Klinke in die Hand gaben. Maria hat bestimmt dafür gesorgt, dass Jesus keinen Zug abbekommen hat.

Was braucht es an Weihnachten?

In diesem Jahr stellt sich die Frage noch einmal ganz besonders. Wie werden wir in der Familie Weihnachten feiern können? Dürfen die Kinder überhaupt kommen? Können wir unsere alten Eltern besuchen? Und wie werden wir Gottesdienst feiern am Heiligabend, wenn nur 30 bis 50 Menschen in die Kirche passen? Die Gemeinde Wallenhorst hat uns dankenswerter Weise die Haselandhalle für die Heiligabend-Gottesdienste angeboten. So werden hoffentlich alle Menschen, die mögen, mit uns die Geburt des Jesuskindes feiern können. 

Weihnachten 2020 wird anders sein

Natürlich werden wir einen Weihnachtsbaum in die Halle stellen. Aber ein Baum macht aus einer Turnhalle keine Kirche. Und singen dürfen wir immer noch nicht. Weihnachten ohne „O du fröhliche“ am Schluss des Gottesdienstes? Vielleicht können wir nach dem Gottesdienst draußen mit Abstand wenigstens noch ein Lied singen. Auch in der Andreaskirche werden wir in diesem Jahr den Kirchraum bewusst anders gestalten als sonst. Ja, Weihnachten wird in diesem Jahr anders sein. Und ich werde vieles schmerzlich vermissen.

Gott kommt meist anders, als wir denken

Als Jesus, der Sohn Gottes, in einem Stall oder einer Höhle geboren wurde, war das überhaupt nicht festlich. Niemand hatte erwartet, dass Gott die Welt als Baby betritt. Aber er hat es getan. Bis heute geht Gott dahin, wo die Menschen sind, besonders dahin, wo sie verwundet und verlassen sind. Das hat Jesus gezeigt. Heiligabend-Gottesdienst, Familie, Krippe, Weihnachtsbaum und „O du fröhliche“ gehören für mich zu Weihnachten dazu. Aber als allererstes gehört Gott dazu. Ich wünsche mir so sehr, dass in diesem verrückten Jahr Weihnachten erlebbar wird, dass Gott nah kommt, berührbar, verwundbar, nicht abgehoben in himmlischen Höhen, nicht weltfremd. Weihnachten wird anders sein. Aber Weihnachten fällt nicht aus. Gott ist da! Ich wünsche Ihnen und all Ihren Lieben frohe, gesegnete Weihnachten!

Ihr Pastor Martin Steinke

Zwei Taufkerzen stehen nebeneinander auf dem Altar in der Andreaskirche. Beide sind wunderschön verziert mit den Namen der Kinder, die getauft werden und natürlich mit dem Taufdatum: 19. September 2020. Als ich näher hinschaue, stutze ich. Auf einer der beiden Kerzen steht 22. März 2020. Alles war schon geplant. Das Taufgespräch hatte stattgefunden, die Feier war organisiert, die Gäste hatten zugesagt. Nur wenige Tage vor dem Gottesdienst hieß es: Ab sofort gibt es erst einmal keine Gottesdienste mehr. Doch jetzt wird Taufe gefeiert. Alle haben sich fein gemacht, die große Schwester ist stolz auf ihren kleinen Bruder und alle strahlen. Der Segen Gottes ist mit Händen zu greifen: „Du bist Gottes Kind. Er geht mit dir in deinem Leben an jedem Tag!“

In dieser Woche sitzen 20 Jugendliche im Kirchenraum verteilt. Wir besprechen letzte Fragen zur Konfirmation, die wir an diesem Wochenende in drei Gottesdiensten feiern. Ich spüre die Aufregung und auch die Sorge: Was ist, wenn jemand von uns jetzt in Quarantäne muss? Einige Schulklassen sind bereits betroffen. Ich wünsche allen Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass ihre Konfirmation nicht noch einmal verschoben werden muss und sie in diesen Tagen aus vollem Herzen sagen: „Danke, Gott! Du hast Ja zu mir gesagt in der Taufe. Du stehst zu mir, egal was kommt. Jetzt sage ich Ja zu dir. Ich möchte mit dir gemeinsam durchs Leben gehen.“ Herzlich willkommen in unseren Gemeinden! Wir freuen uns auf euch. Gott segne und behüte euch. Sein Segen fällt niemals aus!

Martin Steinke, Pastor der ev.-luth. Andreasgemeinde Wallenhorst

Der Zolleinnehmer Zachäus ist ein kleiner Mann und ein großer Gauner, ein Mensch voller Gegensätze. Reich und zugleich so einsam und arm. Klein, aber mit einer großen Sehnsucht. Verachtet, weil er mit den Römern zusammenarbeitet und den Leuten das Geld aus der Tasche zieht. Dabei zugleich so stark, dass es ihn nicht kümmert, was die Leute über ihn sagen, als Jesus sich bei ihm als Gast einlädt.

Lukas, der Evangelist, beschreibt anschaulich, wie Zachäus Jesus begegnet. Zachäus will unbedingt sehen, wer dieser Jesus ist. Weil die vielen Menschen ihm die Sicht versperren, klettert er kurzerhand auf einen Maulbeerfeigenbaum. Jesus geht vorüber, bleibt direkt unter dem Baum stehen und blickt nach oben – Zachäus genau in die Augen. Jesus sieht ihn an, und das verändert Zachäus. Den Leuten gefällt das nicht, Zachäus ist es egal. Er genießt es, dass einer ihn ansieht. Er genießt es, dass einer ihn ernst nimmt und nicht als erstes sagt, was er alles falsch macht. Er freut sich riesig, dass einer sogar zu ihm nach Hause kommt und Gast bei ihm sein will, obwohl er mit den römischen Besatzern, die als unrein gelten, Hand in Hand arbeitet. Angesehen! Ein Blickkontakt lässt Zachäus schwach werden. Das verwandelt ihn: „Die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen. Und wem ich zu viel abgenommen habe, dem werde ich es vierfach zurückzahlen.“

Über das Treffen von Zachäus mit Jesus habe ich bei meinem Einführungs-Gottesdienst am 13. September gepredigt. Ich habe mich gefragt, welche Begegnungen mich verändert haben. Und wie eine Kirche aussehen kann, die solche Begegnungen ermöglicht. Dass Menschen Jesus begegnen, können wir nicht erzwingen. Aber wir können überlegen, wie Orte aussehen können, an denen das gut gelingt. Räume, in denen Menschen davon hören, dass sie geliebt sind. In denen sie hören: „Es ist gut, dass es dich gibt!“ In der Andreasgemeinde habe ich bereits viel davon entdeckt. Ich möchte gerne mit Ihnen allen weiter daran mitarbeiten, dass unsere Gemeinde eine gute Gastgeberin bleibt, damit Menschen entdecken: Ich bin ein angesehener Mensch!

In Zukunft werden wir noch beweglicher werden müssen. Wir können nicht darauf warten, dass Menschen zu uns kommen, sondern sollten uns aufmachen, hinaus zu den Menschen. Ich bin gespannt auf Ihre Ideen und freue mich über hoffentlich viele Menschen, die mitüberlegen. Eine gute Grundlage haben wir: Jesus hat uns angesehen. Wir sind angesehene Menschen, geliebte Kinder Gottes. Gemeinsam sind wir unterwegs – den Menschen im Blick.

Ich grüße Sie herzlich, zum ersten Mal als Ihr Andreas-Pastor Martin Steinke