Die Kreuzigung (Mt. 27, 32-56)

A) Bibeltext
Als sie die Stadt verließen, trafen sie einen Mann aus Kyrene. Sein Name war Simon. Den zwangen sie, für Jesus das Kreuz zu tragen. So kamen sie zu der Stelle, die Golgota heißt –das bedeutet: Schädelplatz. Sie gaben Jesus Wein zu trinken, der mit Galle gemischt war. Er versuchte davon, wollte ihn aber nicht trinken. Dann kreuzigten sie ihn. Sie verteilten seine Kleider und losten sie untereinander aus. Danach setzen sie sich hin und bewachten ihn. Über seinem Kopf brachten sie ein Schild an. Darauf stand der Grund für seine Verurteilung: »Das ist Jesus, der König der Juden.« Mit Jesus kreuzigten sie zwei Verbrecher, den einen rechts, den anderen links von ihm. Die Leute, die vorbeikamen, lästerten über ihn. Sie schüttelten ihre Köpfe und sagten: »Du wolltest doch den Tempel abreißen und in nur drei Tagen wieder aufbauen. Wenn du wirklich der Sohn Gottes bist, dann rette dich selbst und steig vom Kreuz herab!« Genauso machten sich die führenden Priesterzusammen mit den Schriftgelehrten und Ratsältestenüber ihn lustig. Sie sagten: »Andere hat er gerettet. Sich selbst kann er nicht retten. Dabei ist er doch der ›König von Israel‹! Er soll jetzt vom Kreuz herabsteigen, dann glauben wir an ihn. Er hat auf Gott vertraut –der soll ihn jetzt retten, wenn er Gefallen an ihm hat. Er hat doch behauptet: ›Ich bin Gottes Sohn.‹« Genauso verspotteten ihn die beiden Verbrecher, die mit ihm gekreuzigt worden waren. Es war die sechste Stunde, da breitete sich Finsternis aus über das ganze Land. Das dauerte bis zur neunten Stunde. Um die neunte Stunde schrie Jesus laut: »Eli, Eli, lema sabachtani?« Das heißt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Als sie das hörten, sagten einige von denen, die dabeistanden: »Er ruft nach Elija.« Sofort lief einer von ihnen hin, nahm einen Schwamm und tauchte ihn in Essig. Dann steckte er ihn auf eine Stange und hielt ihn Jesus zum Trinken hin. Aber die anderen riefen: »Lass das! Wir wollen sehen, ob Elija kommt und ihn rettet.« Aber Jesus schrie noch einmal laut auf und starb. In diesem Moment zerriss der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Teile. Die Erde bebte, und Felsen spalteten sich. Grabkammern öffneten sich, und die Körper vieler verstorbener Heiliger wurden auferweckt. Nach der Auferstehung von Jesus kamen sie aus ihren Grabkammern heraus. Sie gingen in die Heilige Stadt, wo sie von vielen Menschen gesehen wurden. Ein römischer Hauptmann mit seinen Soldatenbewachte Jesus. Sie sahen das Erdbeben und alles, was geschah. Da fürchteten sie sich sehr und sagten: »Er war wirklich Gottes Sohn!« Es waren auch viele Frauen da, die aus der Ferne alles mit ansahen. Seit Jesus in Galiläa wirkte, waren sie ihm gefolgt und hatten für ihn gesorgt. Unter ihnen waren Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus und Josef, und die Mutter der Söhne des Zebedäus.


B) Das Bild
• Schauen Sie sich das Bild in Ruhe an.
• Wie würden Sie die Kreuzigung malen? Ähnlich oder ganz anders?
• Kann man so eine Szene wirklich malen?
• Fehlt Ihnen an diesem Bild etwas?

C) Weiterführende Gedanken
• Die Soldaten losen um die Kleidung Jesu. Fallen Ihnen andere Beispiele ein, in denen sich Menschen über die Beute ihrer Opfer hermachen und sich daran bereichern?
• Einige spotten und lästern über Jesus und sein Leiden. Wie erklären Sie sich, dass Menschen sich zu so einem Verhalten hergeben?
• Zwei Verbrecher werden mit Jesus gekreuzigt. Was haben sie getan? Wie stehen Sie zur Todesstrafe?
• Als Jesus stirbt, zerreißt der Vorhang im Tempel. Finden Sie eine tiefere Bedeutung in diesem Satz?
• Unwahrscheinlich Dinge geschehen unmittelbar nach dem Tod Jesu. Nehmen Sie diese Beschreibungen wörtlich? Was empfinden Sie bei diesen Textstellen?
• „Er war wirklich Gottes Sohn“. Was bedeutet der Begriff „Sohn Gottes“ für Sie?

D) Gedanken zum Abschluss

Früh am Morgen. Frische Luft. Langsam erwacht die Stadt. Das Kreuz hochgewuchtet, um es
gleich darauf wieder abzulegen.
Stricke braucht es nicht. Er wehrt sich nicht.
Wird kleiner unter der Last.
Kann den Kopf nicht mehr heben.
Auch die Schritte sind klein, schlurfend.
Nichts mehr zu sehen von der vormaligen Kraft. Gebrochen. Langsam füllen sich die Gassen
Die Soldaten gehen links und rechts
Schirmen die zum Tode Verurteilten ab
Bahnen einen Weg
Laute Stimmen mischen sich mit entsetzten, mitleidigen Er kann nicht mehr
Die Muskeln am Hals treten scharf hervor
Angetrieben. Jemand hilft ihm tragen
Für einen winzigen Moment verschnaufen
Das ändert nichts. Oder doch?
Die Erinnerung lastete schwer an diesem Tag.
Die Erinnerung an die Tage, die hinter ihm lagen.
An die Kindheit – unbeschwert, behütet, geliebt.
An die Jugend – wildes Spiel mit den anderen, die ersten zaghaften Küsse.
An den Tag, an dem das erste Mal etwas Anderes in sein Leben einbrach.
Die Gewissheit, dass es mehr gab als dieses kleine Leben. Die Erinnerung lastete schwer an diesem Tag.
Das Erstaunen über sich selbst.
Sie hatten nie infrage gestellt, was ihnen widerfahren war.
Seine Worte, sein Gesicht, seine Hände öffneten sie auf vorher unbekannte Weise.
So blieben sie bei ihm. Lebten mit ihm. Waren hingerissen von seiner Liebe und Zärtlichkeit zum Leben.

 

Genossen die Bewunderung der vielen für ihn, färbte sie doch auf sie selbst ab.
Die Erinnerung lastete schwer an diesem Tag.
Das Glück in der Nacht seiner Geburt.
Sein Geruch, so wie nur Babys riechen.
Der Schmerz, den er ihr zufügte, wenn er sie mit Worten wegstieß.
Manchmal war er ihr fern. Begann ihr fremd zu werden. Dann erkannte sie ihn nicht wieder.
Sie konnte nicht anders: sie weinte um ihn und um sich. Zukunft gab es nicht mehr. So fühlten sie.
Sie spürte, wie ihr ein Schwert mitten durchs Herz fuhr. Das konnte nicht sein – dass es hier endete.
Alles vergeblich, was gewesen war. Nicht für die Ewigkeit. Abgebrochen.
Durch das Urteil unkenntlich geworden.
Er selbst, zu nichts mehr in der Lage.
Gebrochen. Zerschunden.
Nein, Zukunft war nicht vorstellbar.
Der heutige Tag wischte die Erinnerungen beiseite.
Stahl ihnen ihren Glanz. Machte sie unerträglich. Erinnerte sie an das, was nie mehr möglich sein würde. Nicht auszuhalten.
Sein Anblick nicht und ihr Entsetzen nicht.
Eine Zukunft ohne ihn
Unmöglich, oder?


Aus:
Barbara Bockentin und Nele Schomakers Meditation zu Karfreitag